Warum es im Columbus Center zwei evangelische Gemeinden gibt

Wer im Columbus Center oder auch woanders in Bremerhaven-Mitte einer evangelischen Landeskirche angehört (evangelische Freikirchen wie Baptisten oder Methodisten sind noch einmal etwas anderes), ist entweder Mitglied der "Großen Kirche" gleich gegenüber oder der Kreuzkirche am Martin-Donandt-Platz. Diese doppelte Möglichkeit ist ungewöhnlich in Deutschland und bedarf der Erklärung, die in der Geschichte liegt.

Als das bremische Bremerhaven 1827 gegründet wurde, wollte der Bremer Senat für diese neue Stadt eine "Vereinigte Evangelische Gemeinde" gründen, in der alte innerevangelische Unterschiede keine Rolle mehr spielen sollten. Mit dieser "Union", die zudem kirchlich von einem liberalen Geist geprägt war, dem überkommene christliche Dogmen nicht so wichtig waren, war eine Gruppe von Hausvätern nicht einverstanden, die sich als Lutheraner und fromme Christen verstanden. Sie gründeten 1862/63 die lutherische Kreuzkirche neben der seit 1854/55 bestehenden "Vereinigten Protestantischen Gemeinde" zur Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche. Über Jahrzehnte gab es im bremischen Bremerhaven die unierte (Reformierte und Lutheraner zusammen), liberalere "Große Kirche" und die lutherische, frommere Kreuzkirche.

1939 wurde das bremische Bremerhaven ins preußische Wesermünde (vormals: Lehe und Geestemünde) eingegliedert. Dieser politische Schritt wurde auch kirchlich nachvollzogen, insofern als Große Kirche und Kreuzkirche in die Hannoversche Landeskirche, der auch die umgebenden Leher und Geestemünder Gemeinden angehörten, eingegliedert wurden.

Der Bombenangriff vom 18.9.1944 hatte "Mitte" zerstört und viele Gemeindeglieder der beiden Gemeinden weit verstreut. Nach Kriegsende wurden unter den Alliierten die staatlichen und kirchlichen Verhältnisse neu geordnet. Ganz Bremerhaven wurde unter diesem "bremischen" Namen jetzt Teil des neugegründeten Landes Bremen. Die unierte Große Kirche kehrte zur Bremischen Landeskirche zurück, die Kreuzkirche blieb zusammen mit ihren Schwestergemeinden in Lehe und Geestemünde bei der ev.-luth. Landeskirche Hannovers. Über lange Jahrzehnte standen Kreuzkirche und Große Kirche dann in Konkurrenz gerade um neu nach Bremerhaven-Mitte ziehende evangelische Christen zueinander. Anfang der 1970er Jahre wurde eine bis heute gültige Regelung getroffen: wer aus dem Bereich der Hannoverschen Landeskirche (z.B. Landkreis und übriges Bremerhaven) nach Mitte zieht, wird der Kreuzkirche zugerechnet, alle anderen Zuzügler der Großen Kirche.

Heute stehen Große Kirche und Kreuzkirche im freundschaftlich-friedlichen Miteinander. Beide haben ungefähr gleich viele Mitglieder (ca. 3700). Ob das mit dieser Doppelung zweier evangelischer Landeskirchen in Mitte so weitergehen wird? Die Zukunft wird es zeigen. Die Hauptsache ist, die beiden evangelischen Gemeinden dienen dazu, Menschen in Mitte im christlichen Glauben zu stärken.

Götz Weber, Pastor der ev.-luth. Kreuzkirche

Ausgabe 1 - 2017